#Topthema Gastbeitrag Umwelt

Ein persönlicher Beitrag von Maurice Conrad

“Klimaschutzpaket” – Weiter #PillePalle

Während deutschlandweit 1,4 Millionen Menschen für konsequenten Klimaschutz auf die Straße gegangen sind, hat es die Bundesregierung geschafft, die durchaus bescheidenen Erwartungen der Bevölkerung in Puncto Klimaschutz ein weiteres Mal zu unterbieten. Der Tag, den man mit mehr als 5000 Demos in über 150 Ländern weltweit als vorläufigen Höhepunkt der globalen Klimaschutzbewegung bezeichnen kann, ist gleichzeitig auch ein Höhepunkt in Sachen Dreistigkeit seitens CDU und SPD. Die Wirklichkeit ist leider deutlich weniger witzig, als es im ersten Augenblick klingen mag. Die Wirklichkeit ist ein “Klimaschutzpaket”, das den Begriff “Klimaschutz” verhöhnt. Es verschlägt mir die Sprache angesichts der stetig steigenden Dringlichkeit des Anliegens aller Menschen in diesem Land. Was in Berlin am 20. September verabschiedet wurde, ist kein Klimaschutzpaket, sondern allenfalls ein Paket. Mit Klimaschutz hat es aber wirklich nichts zu tun.

CO2 Abgabe Modell “Streichelzoo”

Die von der Bundesregierung verabschiedete CO2-Abgabe von 10 € pro Tonne ist nichts anderes als ein Tropfen auf den, im wahrsten Sinne des Wortes, heißen Stein. Und der Tropfen tropft erst ab 2021. Wie die Klimaziele bis 2030 erreicht werden sollen, bleibt das Geheimnis der Damen und Herren in Berlin.
10 € pro Tonne CO2 ist leider grade einmal 1/18 des eigentlichen Preises, den Treibhausgasemissionen unsere Volkswirtschaften weltweit kosten. Gleichzeitig sorgt diese Bepreisung für einen effektiven Mehrkostenaufwand von 0,3 Cent pro Liter Benzin und 3 Cent pro Liter Diesel. Wie Konsument*innen bei den täglichen Preisschwankungen des Treibstoffs an deutschen Tankstellen da irgendwas spüren sollen, bleibt ebenso wenig geklärt wie die Frage, was genau dieses Paket mit den Pariser Klimazielen zu tun hat.

Im Gegenteil: Während man den Spritpreis effektiv um nur 0,003 – 0,03 € pro Liter erhöht, gibt die Bundesregierung an anderer Stelle 5 Cent pro Kilometer über die Pendlerpauschale zurück. Wer rechnen kann bemerkt also, dass dieses “Klimaschutzpaket” den motorisierten Individualverkehr nicht unattraktiver, sondern deutlich attraktiver macht. Und wer glaubt, dass nur Öl und Energiesektoren Treibhausgase emittieren würden, dem sei eine umfassende Schulbildung nahegelegt.
Die Pendlerpauschale gehört nicht ausgebaut, sondern abgeschafft. Zumindest wenn Klimaschutz mehr als nur ein Slogan sein soll.

Symbolpolitik

Treibhausgasemissionen müssen selbstverständlich in der Art und Weise bepreist werden, in der sie reellen Schäden auf der Welt erzeugen. Alles andere ist zweckfrei. Durch Emittierung von CO2-Äquivalenten entstehen nun mal reelle finanzielle Schäden auf dieser Welt. Und weil diese Schäden entstehen, gibt es kein moralisches Recht darauf, die dritte Welt und Länder am anderen Ende des Globus dafür bezahlen zu lassen. Ein solches Recht existiert nicht. Eine CO2-Abgabe muss also nicht nur in der Höhe ausfallen, in der sie tatsächlich finanziellen und wirtschaftlichen Schäden erzeugt, sie muss auch genau effektiv in der Beseitigung dieser Schäden münden.
Wenn ich ein Auto demoliere, habe ich die entstandenen Schäden zu begleichen. Auch wenn es mir Spaß gemacht hat oder ich es sonst wie als lebensnotwendig erachte. Ich habe kein Recht darauf, dass der Autobesitzer das für mich bezahlt. Die lächerlichen 10 € pro Tonne CO2 landen aber nicht dort, wo 180 € pro Tonne CO2 an Schäden erzeugt werden. Diese 180 € werden also weiterhin von Menschen bezahlt werden, die ein 1/50 unseres ökologischen Fußabdruckes haben. Aber ist ja egal. Haha. Die Idioten. Selbst schuld am anderen Ende der Welt geboren worden zu sein. Voll die Ottos. Bezahlt meinen Schaden, ihr Opfer.

Sozialverträglichkeit?

Von einer Sozialverträglichkeit der Klimaschutzmaßnahmen, die es zugegebenermaßen ja auch gar nicht gibt, ist nirgendwo etwas zu spüren. Insofern verfolgt das Projekt “Paket” der Bundesregierung wenigstens konsequent das Konzept der Inhalts- und Wirkungslosigkeit.

Effektiver Klimaschutz nur mit Piraten

Dass effektiver Klimaschutz inklusive eines Kohleausstiegs bis 2023 und Sozialverträglichkeit selbiger Maßnahmen nicht nur blumige Worte, sondern Wirklichkeit sein könnten, hat die Piratenpartei erst vor wenigen Tagen gezeigt. Der 17-Punkte-Plan der AG Umwelt der Piratenpartei setzt nicht nur neue Maßstäbe im Umdenken beim Klimaschutz; er ist zugleich das einzige Dokument, welches die Sozialverträglichkeit der notwendigen Klimaschutzmaßnahmen mit den Pariser Klimazielen, also einer kompromisslosen Begrenzung der Erderwärmung um 1,5 Grad, im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter vereint.

Ich würde ja sagen, ich bin enttäuscht. Aber nein, enttäuscht bin ich nicht. Ich hatte ja schließlich nichts erwartet. Ich bin stattdessen einfach nur entsetzt. Und dem Entsetzen weicht in einigen Augenblicken Wut. Eine Form von Wut, die Millionen Menschen in Deutschland teilen, weil die Ignoranz der Bundesregierung an die Grenze des Aushaltbaren gelangt ist. Liebe Bundesregierung, ich weiß das ist unsachlich, aber was Millionen Menschen in diesem Land fühlen ist nichts anderes als ein resigniertes: Fickt euch.

Maurice Conrad, Themenbeauftragter für Umwelt, Klima und Tierschutz der Piratenpartei und Mitorganisator der FFF Streiks in Mainz

5 Kommentare zu ““Klimaschutzpaket” – Weiter #PillePalle

  1. Ich verdiene nicht viel mehr als den Mindestlohn. Muss aber mit dem Auto jeden Tag lange pendeln, ist nicht meine Schuld das das so ist. Jedoch würde mich eine hohe CO2 Steuer sehr hart treffen und weniger Benzin würde ich damit auch nicht verbrauchen denn Arbeitslosigkeit wäre keine Alternative für mich.

    Die hier postulierte Forderung nach Abschaffung der Pendlerpauschale trifft dann vor allem die ärmeren. Der Rechtsanwalt, Akademiker mit seinem 5000 Euro/Monat Einkommen könnte sich den SUV dann ja immer noch leisten. Am Ende zahlt somit die Arbeiterschicht das gute Öko-Gewissen der besser gestellten.

    Die Piraten sind nicht mehr die Piraten sondern die Grünen 2.0. Wenn ich solch eine Politik wollte, dann würde ich das Original die Grünen wählen. Meine Stimme habt ihr so leider verloren.

  2. Mhm- das nennt man wohl neudeutsch einen Rant. Ich kann den Maurice gut verstehen und folge ihm auch in den meisten Inhalten. Die Pendlerpauschale kann man trotzdem ad hoc nicht abschaffen. ERST müssen Alternativen zum Pendeln her, die auch für den “Arbeiter” gangbar wären. Alles hängt auch hier irgendwie mit allem zusammen.

    Das von der Bundesregierung verabschiedete Paket erfüllt inhaltlich definitiv kaum den Zweck, der auf der Verpackung steht. Andererseits bin ich schon froh darüber, dass einige Herrschaften zumindest angefangen haben, ernsthaft nachzudenken und zumindest zaghaft zu handeln. Es kommt nunmehr darauf an, die Merkel, Söder & Co MASSIV zu beschleunigen. Es kommt auf die Erkenntnis an, dass Klimaschutz ohne Änderung unseres persönlichen Verhaltens nicht funktioniert; ganz unabhängig davon, ob die Politik mit dem ökonomischen Hebel nachhilft oder nicht.

    Malle soll im Herbst ja ganz schön sein. Buchen wir diesmal bei Thomas Cook…

  3. Kleine Ergänzung zum Mehrpreis bei Benzin bei 10 EUR/Tonne CO2:
    Bei der Verbrennung von einem Liter Benzin werden 2.320 Gramm Kohlenstoffdioxid freigesetzt. macht also 2,3 ct/Liter.
    Die Verbrennung von einem Liiter Diesel setzt 2.650 Gramm Kohlenstoffdioxid frei – > 2,56 ct/Liter.
    Also nicht 0,3 Ct/l bei Benzin sondern 2,3 Ct/l. Macht die Sache zwar nicht viel besser (50 ct-100 Ct wären IMHO angemessen), aber korrekt gerechet.

    Die Pendlerpauscahle abzuschaffen unterstütze ich ausdrücklich!

  4. Es geht doch darum, Lenkungswirkung und Anreize zu schaffen,
    Und dazu ist eine Pendlerpauschale in der heutigen Form völlig ungeeignet. Daher gibt Maurice Forderung durchaus Sinn.
    Fallbeispiel: Ich fahre an 220 Tagen täglich 20km mit dem PKW zur Arbeit – macht ungefähr 1.300€ absetzbare Werbungskosten.
    Erstens bekomme ich die nicht, sondern kann sie nur dann steuerlich geltend machen, wenn ich auch genug Steuern bezahle,
    Zweitens hat gerade der Bezieher vom Mindestlohn nicht immer viel davon, da ihm die 1.300€ vom Brutto abgezogen werden, er aber sowieso nicht viel zahlt.
    Wer etwas davon hat ist der Gutverdienende.
    Also Pendlerpauschale weg – und dafür z.B. im obigen Fall an jeden der pendelt monatlich 120€ auf das Konto, kann kann jeder pendelt überlegen ob er mit dem Zug/Bus fährt, vielleicht sogar ein E-Bike nutzt, usw.
    Dies hätte etwas Lenkungswirkung… Noch besser wäre es natürlich, die komplett eingenommen CO2 Bepreisungen an alle auszuzahlen.
    Dann könnte man sich sogar überlegen, ob es nicht besser wäre näher an den Arbeitsplatz zu ziehen.

  5. Pete van Payne

    Generell stimme ich voll zu, was die Qualität des Klimapaketes insgesamt betrifft. Grundsätzlich wird damit eigentlich nur erreicht, daß der Individualverkehr sogar noch gefördert wird. Auf der anderen Seite sehe ich auch, daß Leute mit geringem Einkommen darunter mehr zu leiden haben als besser verdienende. Hier muss also dringend noch nachgebessert werden.
    Ein weiteres Problem sind die fehlenden Alternativen gerade im ländlichen Raum. Die Verfügbarkeit des ÖPNV ist dort häufig so schlecht dass es gar keine andere Möglichkeit als den eigenen PKW gibt. Hier muss also zunächst mal für die betroffenen Pendler ein Ausgleich geschaffen werden.

    Fakt ist, die derzeitige ÖPNV Infrastruktur ist weder geeignet, noch in der Lage dazu, den Individualverkehr wirksam abzulösen. Es muss also massiv am Ausbau der Infrastrukturen gearbeitet werden. All das kostet natürlich Geld und zwar nicht wenig. Ein Ansatz dafür das ganze auch bezahlbar zu machen wäre neben einer Umlagefinanzierung z.B. der teilweise Zweckgebundene Einsatz der Einnahmen aus der CO2 Bepreisung die allerdings deutlich höher als die jetzigen 10€ ausfallen müsste. Das, verbunden mit einer nach Entfernung gestaffelten Pendlerpauschale, die auch die verfügbare Alternative mit ÖPNV berücksichtigt, würde das ganze zumindest teilweise auf eine stabilere Basis stellen.
    Da das Thema insgesamt sehr komplex ist, maße ich mir auf keinen Fall an, da eine Patentlösung für alles zu haben. Eines aber ist klar, die jetzige Diskussion ist zu sehr emotionsgeladen. Alle Seiten brüllen ihre Forderungen in den Raum und im allgemeinen Tumult und Geblubber gehen wirklich gute Lösungsansätze und Ideen häufig unter. Ich denke eine Rückkehr zur Sachlichkeit würde der Problemlösung doch sehr zugute kommen.
    Wir haben die Chance, jetzt ein funktionsfähiges Konzept zu entwickeln. Dabei können Einzelstrategien oder Insellösungen aber keinesfalls ausreichen sondern müssen in ein Gesamtkonzept eingebunden werden. Wir stehen vor einer Problematik, vor der wir als Menschheit bisher noch nie in der Geschichte gestanden haben. Von daher gibt es keine Erfahrungswerte. Der Preis den wir gewinnen können ist eine überlebensfähige Umwelt. Wenn wir aber dabei versagen und genau danach sieht es derzeit aus, kann man uns den Preis genau so gut entreissen.
    Viele Wissenschaftler sind zum Schluss gekommen, daß bei einer Erwärmung von 5°C und mehr, mindestens 2,7 Milliarden Menschen keine Lebensgrundlage mehr haben. Das sollte uns allen klar sein.

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