Allgemein Gastbeitrag Inneres und Sicherheit

#Parteiverbot – durchdenken

Eine Partei verbieten zu müssen ist nie etwas Schönes. Es ist aber auch nichts Gutes oder nichts Schlechtes, denn ein Parteiverbot passiert nicht einfach so.
Das Gesetz gibt in Artikel 21 (2) GG einen Rahmen zur Beurteilung der Verfassungswidrigkeit vor, auf dessen Basis das Bundesverfassungsgericht dann die Auflösung der Partei erklären kann, und das Verbot, eine Ersatzorganisation zu schaffen. Auf Basis des Artikel 21 (2) GG wird also festgestellt, ab wann eine Partei verboten werden MUSS. Hierbei geht es auch nicht darum, ob wir als einzelne das möchten oder nicht, das für geboten halten oder nicht. Oder ob wir denken, dass es in einer Demokratie ein sinnvoller Ausdruck politischer Meinung ist, oder nicht.

Zum Beispiel bin ich der Meinung, dass es nicht gut wäre, die AfD zu verbieten, weil es leider nicht dazu führen wird, dass die Sympathisanten und Unterstützer (oder gar Mitglieder) der AfD weniger rechtsextremistisch sind, unsere Demokratie weniger gefährden, oder eine geringere Gefahr für einen Teil meiner Mitmenschen darstellen. Durch die Wahl der AfD zu einer zweitstärksten oder vielleicht sogar stärksten Fraktion in einem Parlament zeigt sich, wie viele Menschen bereits eine Meinung haben, die nicht darauf ausgerichtet ist, unsere Demokratie konstruktiv zu gestalten oder für eine menschenfreundliche Zukunft einzutreten. Die Existenz der AfD ermöglicht uns zu erkennen, wie sehr die aktive Politik, der gesellschaftliche Zeitgeist, Bildung und auch die ökonomische Lage zur Unterstützung von Populisten und Extremisten beiträgt. Es ist das Fieberthermometer, was das Ausmaß an Infektion anzeigt. Nicht mehr messen zu können, würde nicht helfen.

Ich finde es aber auch wichtig anzuerkennen, dass meine Meinung nachrangig sein muss. Denn so schön ich es auch finde, wenn alles in Übereinstimmung mit meinen Ansichten passieren würde, hierbei geht es um eine Aufgabe mit einem höheren Ziel. Nämlich den Auftrag, den das Grundgesetz uns aufgibt. Die Verfassung enthält nicht ohne Grund eine rechtliche Grundlage für ein Parteienverbot, mit hohen Auflagen. Nämlich für den Fall, wo die Möglichkeiten einer freiheitlichen Verfassung gegen sie selbst angewandt werden können.
Ein solches Gesetz ist Teil des Immunsystems unserer Grundordnung.

Daher finde ich meine Meinung zwar gut begründet, sie muss aber hinter dem Auftrag zurückstehen, unsere Verfassung und demokratisch freiheitliche Grundordnung zu schützen. Und das bedeutet, Parteien regelmäßig darauf zu prüfen, in wieweit sie zu einer Gefahr für unsere Verfassung werden können, sie als Feind der freiheitlichen Ordnung angesehen werden können oder müssen. Beispielsweise weil es für sie nicht nur gewünscht, sondern auch möglich ist, Säulen unserer Demokratie zu untergraben. Daraus ergibt sich für mich auch, dass dies ein vollkommen neutraler Vorgang sein sollte, so wie Fiebermessen eben. Und vielleicht kriegt dieses Thema nur deswegen solch eine Aufmerksamkeit, weil wir das viel zu selten machen.

Denn wer könnte eigentlich etwas gegen einen solchen Test vor dem Verfassungsgericht haben? Was sind denn die möglichen Szenarien?
Entweder diese juristische Abwägung kommt zum Ergebnis, dass die AfD gegenwärtig eine Gefahr für uns als Gesellschaft ist. Dann würde sie verboten. Die Gefahr, die Möglichkeiten der Verfassung gegen sich selbst und gegen uns als Gesellschaft zu wenden, würde unmittelbar reduziert.
Oder es kommt heraus, dass die AfD gegenwärtig nicht als Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzuschätzen ist. Unstrittig würde dies zur Werbung für die AfD genutzt. Aber es muss (sofern das Urteil in der Sache gefällt wurde und nicht, wegen beispielsweise einer Durchsetzung mit V-Männern) in dem Fall anerkannt werden, dass es sich folglich heute um eine Partei handeln würde, der in unserer Demokratie Platz eingeräumt werden muss. Und wem die AfD nicht gefällt, der muss die Aufgabe annehmen, ihr die Basis ihres Wahlerfolg zu entziehen.

Auch wenn ich nach wie vor bei meiner Meinung bleibe, also die Existenz eines Gradmessers für notwendig halte, auf den ich mit großer Besorgnis schaue, betrachte ich ein Parteiverbotsverfahren als einen Schritt, den man aus Verantwortung für die Demokratie gehen muss.
Und meinen Teil werde ich so oder so dazu beitragen und daran arbeiten, dass in unseren Parlamenten zukünftig nur noch konstruktiv operierende demokratische Parteien vertreten sind, die allen Menschen mit Respekt begegnen und ihnen eine sichere selbstbestimmte Zukunft gestalten möchten.

Gastbeitrag von Sebastian Alscher, Erster Vorsitzender der Piratenpartei Hessen

1 Kommentar zu “#Parteiverbot – durchdenken

  1. Es ist richtig, dass ein Parteiverbot zu einer Situation führen könnte, die sie als nicht so demokratiefeindlich darstellen könnte, wie sich dies allseits darstellt. Weil eben möglicherweise die Lautsprecher und Tongeber dieser Partei als nicht die Partei darstellend identifiziert werden. Das jedoch ist aufgrund der Tatsache, dass laufend Vorstände und Abgeordnete all überall verbal derartig auffallen, dass dies eine Gefahr für die Demokratie erwarten lässt. Dies bezieht sich insbesondere auf Aussagen, die postulieren, solange das demokratische Spiel mitzumachen, bis man die Mehrheiten hat, sie zu unterwandern.

    Das aber geht auch nur solange, wie diese Partei wählbar ist. Was nur mit einem Verbot zu unterbinden wäre. Von daher sollte meiner Meinung nach ein Verbotsverfahren angestoßen werden, solange dies noch möglich ist. Denn die Gefahr, dass daraus die AfD gestärkt hervor ginge, halte ich bei allem, was man von ihr hört, für gering genug, sich davon nicht von einem Verbotsverfahren abhalten zu lassen.

    Dass man parallel dazu die Verhältnisse ändern muss, die dazu führen, dass diese Partei gewählt wird, ist selbstverständlich. Da ist es dann überhaupt nicht hilfreich, wenn Teile der “demokratischen” Opposition im Deutschen Bundestag, die Bundesregierung in nahezu allen Politikbereichen in einer Form kritisieren, dass man sich fragt, ob das nicht auch durch die AfD hätte eingebracht werden können.

    Hier sind also weniger wir als Gesellschaft sondern die in die Parlamente gewählten Parteien gefragt, so zu agieren, dass Humanismus, Freiheit und Demokratie erhalten bleiben.

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