Gesundheit

Depression: Lass uns drüber reden

Weltweit leiden über 300 Millionen Menschen an einer depressiven Störung. In Deutschland sind es allein 4 Millionen Betroffene, wobei die Dunkelziffer sicher höher liegt. Nicht selten begehen Betroffene einen Suizidversuch. Das zeigt, wie schwer diese Störung ausgeprägt sein kann. Es gibt verschiedene Formen depressiver Störungen. Sie können chronisch, aber auch phasenweise in unterschiedlicher Stärke ausgeprägt sein. Depressive Störungen haben ihre Ursachen meist in einer Beeinträchtigung der Hirnchemie in Kombination mit äußeren auslösenden Faktoren. [1] [2]

Die Behandlung depressiver Störungen erfolgt in der Regel über eine Kombination aus Medikamenten und Psychotherapie. So kann es Patienten gelingen, ihr Leiden in den Griff zu bekommen. Ob eine völlige Heilung möglich ist, gilt als umstritten. Depressive leiden konstant unter Trostlosigkeit, Verzweiflung, Antriebslosigkeit, aber auch besonderer Empfindsamkeit. Und das sind nur einige der Symptome, die je nach Mensch ganz unterschiedlich sein können. In sehr schweren Fällen sehen die Betroffenen oft Suizid als Ausweg. 25 Prozent der Depressiven versuchen mindestens einmal, sich das Leben zu nehmen, die Hälfte davon erfolgreich.

In der Gesellschaft stoßen Betroffene mit ihrem Leiden oftmals auf gravierende Probleme wie Unverständnis und teils sogar Verunglimpfung. Das führt dazu, dass viele Depressive lieber schweigen und sich hinter fröhlichen Alltagsmasken verbergen, bis sie eines Tages zusammen brechen, weil dieses gekünstelte “Normal Sein” all ihre Kraft kostet. Auch verstecken sich psychisch Kranke lieber, als sich “klugen” Sprüchen ihrer Mitmenschen auszusetzen wie “Reiß dich einfach mal zusammen” oder “Wieso bist du depressiv? Anderen geht’s viel schlechter!”

Was die ärztliche Versorgung betrifft, sieht es gerade für Menschen mit psychischen Erkrankungen besorgniserregend aus. Es gibt zu wenig Psychotherapeuten, vor allem in ländlichen Gebieten und zu wenig Therapieplätze. Psychiater und Psychologen sind überlastet: sechs bis zwölf Monate Wartezeit sind die Regel, bis man überhaupt einen Termin ergattert. Und wenn man dann feststellt, dass zwischen sich und dem Psychotherapeuten “die Chemie nicht stimmt”, beginnt die Wartezeit bei einem anderen Therapeuten von vorne.

Auch mit Behörden ergeben sich für Depressive immer wieder Probleme. Viele psychisch kranke Menschen sind nach einiger Zeit nicht mehr in der Lage, dem Alltagsdruck standzuhalten, werden krankgeschrieben und verlieren oft auch ihre Arbeit, wenn dies zu häufig geschieht. Im Jobcenter oder der ARGE stoßen sie dann auf oftmals unwissende, diesbezüglich ungeschulte Sachbearbeiter, die ihrerseits Druck auf den Betroffenen ausüben. Ganz schnell erfolgen Sanktionen, weil Termine nicht eingehalten werden konnten und vieles mehr.

Wenn die “fürsorgliche Belagerung”, die der zukünftige Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, angekündigt hat, Realität wird, erhöht sich die Gefahr der Sanktionierung. Es geht offensichtlich nur noch darum, psychisch und auch physisch Erkrankte schnellstmöglich wieder nutzbringend in die Wirtschaft einzugliedern. Wer dabei nicht paragraphengetreu mitmachen kann, wird bestraft. Dass diese Herangehensweise der psychischen Verfassung depressiv Erkrankter nicht gerade förderlich ist, bedarf keiner weiteren Erläuterung.

Bereits 2013 haben die Piraten Forderungen erarbeitet, um hier etwas zu ändern. Unter dem Stichwort “Gesundheit – Psyche” wurde damals der Antrag mit all seinen Modulen ins Wahlprogramm aufgenommen. Dieses Wahlprogramm ist nach wie vor gültig.
Der zielgerichtete und zeitnahe Ausbau gemeindenaher, psychiatrischer und psychotherapeutischer Versorgung, eine inklusive Arbeitsmarktpolitik und eine deutliche Verbesserung der rechtlichen Situation von Menschen mit psychischen Störungen wird dort ebenso gefordert, wie umfassende Aufklärung über diese Krankheitsbilder, um Vorurteilen und Ausgrenzungen entgegen zu wirken.

Weitere Forderungen sind die Einrichtung einer bundesweiten Notrufnummer für Menschen mit psychischen Erkrankungen zur Krisenintervention sowie der Abbau bürokratischer Hürden für Betroffene. Insgesamt haben wir elf Hauptpunkte und mehrere Unterpunkte erarbeitet, um die Situation für psychisch Erkrankte in Deutschland zu erleichtern. Bekanntlich setzen wir uns auch für ein bedingungsloses Grundeinkommen ein. Die Einführung des BGE würde gewährleisten, dass depressiv Erkrankte nicht länger der Ämterwillkür ausgesetzt sind. Jetzt wäre nur noch zu wünschen, dass Piraten eine Möglichkeit erhalten, diese Forderungen in den Bundestag einzubringen und Schritt für Schritt die Umsetzung zu erwirken. Vier Millionen Menschen in Deutschland wären dafür sehr dankbar.

[1] http://www.deutsche-depressionshilfe.de/stiftung/volkskrankheit-depression.php?r=p
[2] http://bmcmedicine.biomedcentral.com/articles/10.1186/1741-7015-9-90

5 Kommentare zu “Depression: Lass uns drüber reden

  1. Zantratotti

    > Ihr müsst es ja wissen 🙂

  2. @Zantratotti: Möchtest du mit deinem “Ihr müsst es ja wissen” irgend eine Aussage treffen?

    @Artikel: gut geschrieben und aus Sicht von Betroffenen exakt auf den Punkt gebracht. Wäre wünschenswert, wenn wir mehr Gehör finden würden und alle Forderungen so umgesetzt würden. Aber auch wenn nur ein Bruchteil umgesetzt würde wäre das eine große Verbesserung der Situation. Danke für eure Bemühungen, auch von denen, die selbst nicht (mehr) kämpfen können.

  3. Wo ist denn das Problem ?
    Wer / was verhindert warum die Umsetzung der Vorschläge ?
    Geld ist unbegrenzt vorhanden, Arbeitskräfte werden ohne Ende händeringend gesucht….
    MfG
    Rainer Hohn

  4. Nach meiner Erfahrung gibt es nur wenige Hürden für Menschen mit psychischen Erkrankungen in unserer Gesellschaft und auch keine bürokratischen Schranken- zumindest sind mir keine bekannt. Regional gibt es leider oft Mangel an Fachärzten, aber auch hier sollte man zuerst an einem Bundesweiten Verteilerschlüssel arbeiten, denn in Ballungsgebieten finden wir oft eine Überversorgung.

    Das eigentliche Problem ist doch im System zu suchen und zu finden.
    Ein gesellschaftliches System, das auf ständiges Wachstum baut, was auf maximale Gewinne bei/mit minimalem Aufwand setzt, das muss unweigerlich auch psychische Erkrankungen produzieren, weil es im Grunde auf Stress basiert.

    Natürlich räumt diese Gesellschaft auch ihren ‘Dreck’ weg- betrachten wir nur die Staaten, da hat fast jeder Bürger einen Psychiater.
    Aber das ist ja wiederum der *Vorteil* dieser Gesellschaft: man kann praktisch aus jedem Sch..ß ein Geschäftsmodell machen.
    […]

    • Ich will es möglichst effizient und billig. Das Beste vom Besten, globalgesehen. Auch das Personal. Dazu braucht man Eliteschulen, international gesehen, einen globalen Markt, nicht nur im Profisport auch in allen anderen Bereichen. Ist doch toll, die besten Fußballspieler, Ärzte, Wissenschaftler, Lehrer, Köche usw. aus aller Welt. Für Sicherheit sorgen Gurkhas unter dem Kommando von ehemaligen israelischen Fallschirmjäger Offizieren. Natürlich privat, also für die die es sich leisten können. Man muss ja kein Geld ausgeben für Leute die faul und / oder unfähig sind. Leute wie Trump und Co. mit ihren bescheuerten Mauern nerven nur. Ich setze eher auf Macron und Lindner….internationalisieren, globalisieren, alle Menschen gleichbehandeln (keiner kriegt was umsonst), jeder denkt an alle, macht aber nur was für sich selbst und so wird für alle was gemacht. 20 Millionen vom Hungertod bedroht ? Altersarmut in D ? Kinderarmut ? Na und, sollen die mir leid tun ? Freuen die sich das es mir gut geht ? Nöh. FAZ net:Das Schweigen der Schulen. ZEIT on ” Schulen Integrationsprobleme ” dafür gibt es Privatschulen. Interessiert das jemand ? Piraten ? Grüne ? SPD ? Linke ? Also : SPIEGEL On ” Die Reichen werden Todeszäune ziehen.”
      Spott zum Gruße
      Rainer Hohn

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