#Topthema Familie und Gesellschaft Gastbeitrag

Gastbeitrag von Sven Bechen, stellvertretender politischer Geschäftsführer der Piratenpartei

Gamescom 2022 – Woran mangelt es der Gaming-Branche?

Wir PIRATEN waren auf der Gamescom 2022 und haben sowohl die politischen Veranstaltungen als auch die verschiedenen Stände von kleinen und großen Entwicklerstudios geentert.
Dabei fiel mir vor allem auf, wieviel versprochen wird und wie viel davon letztlich nur Versprechen bleiben werden.

Was kann Gaming?

Dass die Gaming-Szene immer größer geworden ist und dass mittlerweile jeder, der ein Smartphone hat, auch spielt, sollte uns allen klar sein. Aber Gaming und auch der sich entwickelnde VR-Gaming (Virtual Reality – Virtuelle Realität) Bereich haben viel mehr Möglichkeiten als das einfache Spielen.
In der Gaming-Szene haben sich größere Gemeinschaften entwickelt;
diese Communitys verbindet vor allem der Spaß am Spiel oder am generellen Spielen. Als solches bieten diese Communitys eine Möglichkeit, Menschen, egal von welcher Herkunft, ob introvertiert oder nicht, zusammenzubringen. Auch bietet es vielen Menschen die Chance, sich vorurteilsfrei durch diese Communitys zu bewegen – sie sind eben nicht sichtbar.
Aber auch in der generellen Inklusion schaffte die Gaming-Branche zu punkten. Die sogenannte Gamification (Spielifizierung) hat immer größeren Anklang gefunden.

Gamification

Als Gamification wird die Anwendung spieltypischer Elemente in einen spielfremden Kontext bezeichnet. Dazu zählen Erfahrungspunkte, Highscores, Fortschrittsbalken, Ranglisten, virtuelle Güter oder Auszeichnungen. Durch diese soll im Wesentlichen eine Motivationssteigerung der Personen erreicht werden, die sonst als zu monoton empfundene Aufgaben absolvieren müssen.
Gamification findet zunehmend Anwendung in Bereichen wie Fitness und Gesundheit, Ökologie und Nachhaltigkeit, Weiterbildungsprogramme, Online-Shopping oder im Schul- und Ausbildungssystem.
Einige der bekannteren Apps in den Bereichen sind wohl “Duolingo”, eine Spracherwerbsapp, die dich spielerisch dazu bewegt, neue Sprachen zu lernen. Oder auch “adidas Running by Runtastic”, welche dich für jeden gelaufenen Kilometer entlohnt und so dazu anregt, dich körperlich zu ertüchtigen.

Was wird bereits getan?

Gerade für kleine Entwicklerstudios ist die finanzielle Komponente ausgesprochen wichtig. Dort gibt es im Bereich der Landes- und Bundesförderungen bereits einige wenige Anlaufstellen. Insbesondere auf die Bundesförderung werde ich im Laufe des Textes zurückkommen. Es gibt einige wenige Landesförderungen, die sich besonders engagieren, kleinere und mittlere Studios zu unterstützen. Besonders hervorzuheben sind dabei die Landesförderung von Bayern, Nordrhein-Westfalen und Berlin/Brandenburg.
Auch der deutsche Computerspielpreis ist eine Auszeichnungsveranstaltung, die in Zusammenarbeit vom game – Verband der deutschen Games-Branche e. V. und dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr veranstaltet wird. Bei dieser werden deutsche digitale Spiele in 14 Kategorien ausgezeichnet und Preisgelder verliehen.

Woran mangelt es?

Innerhalb der deutschen Gaming-Branche gibt es so einige konkrete Baustellen, die ich euch im Folgenden versuche, etwas aufzuschlüsseln und entsprechende Lösungsvorschläge zu unterbreiten.

Finanzierung

Es ist wichtig und richtig, die kleinen und mittleren Entwicklerstudios über die partiell bestehenden Landesförderungen zu unterstützen und auch die Bundesförderung in Höhe von 50 Millionen Euro ist ein Schritt in die richtige Richtung. Doch wenn man sich die Entwicklungspreise von digitalen Spielen anschaut, wird einem schnell klar, dass dieses Gelder nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sind.
Dass die FDP immer predigt, man müsse mehr investieren und dann auf der Gamescom 2022 ankündigt, man kürze die Förderung von 50 auf 48 Millionen Euro, dürfte für die meisten Indie-Studios auch ein Schlag ins Gesicht gewesen sein. Bei einer Kürzung um 2 Millionen Euro sprechen wir gegebenenfalls sogar über das Überleben einiger Entwicklerstudios.

Auch der unglaublich hohe bürokratische Aufwand bei der Beantragung einer solchen Gamesförderung scheint für viele kleine Studios nicht bewältigbar. Diese Gelder dürfen nämlich nicht für den im Antragsprozess oft notwendigen Rechtsanwalt oder Finanzberater verwendet werden, sondern sind projektgebunden. Dieser Aufwand ist für die meisten nicht realisierbar, so einige Indie-Entwickler im Interview mit mir.
Im Klartext bedeutet das, wenn wir unsere kleinen Entwicklerstudios wirklich unterstützen wollen, braucht es größere Fördermittel auf Landes- und Bundesebene sowie eine Entbürokratisierung der Förderprozesse. Erst dann können sich unsere Spieleentwickler auf das konzentrieren, wofür wir sie tatsächlich unterstützen möchten: die Entwicklung deutscher digitaler Spiele!

E-Sport

Die Verbreitung von E-Sport wird in Deutschland immer größer. Mehr und mehr deutsche E-Sport-Teams versuchen im internationalen Raum Fuß zu fassen (Schalke04 oder Eintracht Spandau als Beispiele). Und auch größere internationale E-Sport-Events finden immer wieder in Berlin oder Köln statt.
Was bräuchte es konkret, um E-Sport in Deutschland besser zu fördern?
Ein erster Schritt wäre, E-Sport als Sportart oder zumindest als gemeinnützig anzuerkennen. Dass Sport nicht immer körperlich sein muss, sollten wir alle beim Stichwort Schach spätestens verstanden haben. Zudem verbinden die meisten E-Sport Spiele die Faktoren des Zusammenhalts als Team, der Strategie, der Übung und der körperlichen Aspekte wie Reflexe und Konzentration.
Als offizielle Sportart stünde der Gründung von gemeinnützigen Gamingvereinen oder der Angliederung von E-Sport Abteilungen an bestehende Sportvereine nichts mehr im Wege. Mit der Anerkennung der Gemeinnützigkeit von E-Sport hätten die Vereine die Möglichkeit, gemeinnützige Events zu veranstalten und sich als solche besser zu finanzieren. Je mehr diese Szene wächst und solche Events gefördert werden, desto eher kann sich Deutschland zu einem E-Sport Standort entwickeln, dies käme auch dem Tourismus zugute.

Lernanwendungen

Wie ich bereits beschrieben habe, ist Gaming so viel mehr als nur einfacher Zeitvertreib. Es braucht einen Wettbewerb zwischen verschiedenen Entwicklerstudios, um Lernanwendungen zu entwickeln, die im Bildungsbereich eingesetzt werden können. So könnten wir unsere lokale Gameentwicklung fördern, unsere Schulen mit neuen Lernanwendungen unterstützen und gegebenenfalls Lernende mit Lernschwierigkeiten spielerisch einfangen. Ein Gewinn für Bildung und Wirtschaft.

Fachkräfte

Ein großes Problem vor allem für kleine und mittlere Studios, ist es, Programmierende für sich zu gewinnen. Die Gewinne in der Wirtschaft sind gerade für Senior-Programmierende deutlich lukrativer und lässt die deutsche Spieleentwicklerszene oft damit zurück, den Nachwuchs an den Universitäten abzuholen und im Laufe der Entwicklung einzuarbeiten, dafür braucht es große Leidenschaft.
Gerade hier ist eine bessere Gamesförderung notwendig, damit diese Studios entsprechende Stellen schaffen und auch erfahrene Entwickler:innen mit entsprechenden Gehältern, unbefristeten Verträgen und eben attraktiveren Angeboten einfangen können.

Einfluss auf die Wirtschaft

Gaming ist als Wirtschaftszweig nicht zu unterschätzen. Mit ca. 300 Milliarden ist die Gaming-Branche weltweit größer als die Musik- und Filmindustrie zusammen. Offensichtlich eine Industrie, die man nicht einfach links liegen lassen sollte. Allein der deutsche Spielemarkt wirft jährlich 10 Milliarden Euro Umsatz ab, wovon nur 5 % deutsche Entwickler:innen erwirtschaften. Ein immenser Verlust, den wir in Kauf nehmen.
Also was konkret ändern? Wir müssen den deutschen Entwicklerstudios die gleich guten internationalen Bedingungen bieten, nur dann schaffen wir es, deutsche Spiele vermehrt auf dem Markt zu etablieren. Dazu gehört es, einen Großteil der oben genannten Punkte zu verbessern und mehr zu investieren, um größere Attraktivität schaffen, damit auch wir den Sprung zum Gamingstandort schaffen können.

Fazit

Wenn wir den Sprung zur Weltspitze der Gaming-Branche schaffen wollen, gibt es viel zu tun. Auf dem Weg sind viele der jungen, kleinen Entwicklerstudios abzuholen. Länder wie Kanada haben das längst erkannt, mehr und früher investiert und strategisch den Ausbau zum Gaming Standort verfolgt. Das gilt es aufzuholen!
Genau da möchte ich ansetzen und all die vielen Menschen in der deutschen Gamingentwicklung abholen und unterstützen, den Kulturschaffenden und Kreativen dabei helfen, ihre Projekte weiter umzusetzen, damit weiterhin junge und alte Menschen diesen Bereich der deutschen digitalen Kultur genießen können.