Den Verlust von Freiheit merkt man erst, wenn es zu spät ist. Je mehr wir uns darauf einlassen, unsere Freiheit zu Gunsten des Versprechens einer höheren Sicherheit zu beschränken, umso mehr geben wir sie auf. Den Verlust an Freiheit werden nicht die zuerst merken, die ihr Leben dort führen, wo die wohlig weiche gesellschaftliche Mitte ist, sondern diejenigen, die anders sind.

Und es wird im Kleinen beginnen. Man wird sich fragen: Kann ich das so sagen? Wenn jemand sieht, was ich geschrieben hab, was wird dieser Dritte von mir denken? Wenn mein Arbeitgeber das Bild von mir sieht, was wird wohl passieren? Sicher sind wir nur mit der Gewissheit, dass wir Kontrolle darüber haben, dass wir den Freiraum haben zu sein, wie wir sind. Dass wir sicher sein können, dass man Privatsphäre oder gar Intimsphäre genießt. Dazu gehört auch, dass man von sich nicht mehr preisgeben muss, als notwendig ist.

Aber diese Freiheit wird von zwei Seiten zerrieben. Von Seiten des Staates und von Seiten des Überwachungskapitalismus.

Zu einer freien Gesellschaft gehört auch, die Regierenden kritisieren zu können, ohne mit Repression rechnen zu müssen. Grundrechte räumen uns die Rechte ein. Beispielsweise das Recht Meinungen frei zu äußern und zu verbreiten oder das Versammlungsrecht. Denn es ist keine Begegnung auf Augenhöhe, der Staat ist zunächst immer mächtiger als der Einzelne. Sich mit anderen zu organisieren, um gemeinsam die Stimme zu erheben, ist daher ungemein wichtig, um frühzeitig ein Korrektiv zu bieten. Ein Korrektiv gegen ein Abrutschen in Totalitarismus, Willkür und Verbrechen. Ein Überwachungsstaat ist auch Teil der deutschen Geschichte, und Geschichte gibt einem immer auch eine Verantwortung mit.

Wenn jeder damit rechnen muss, dass vieles über seine Kommunikation ohne Anlass gespeichert werden kann, dann fühlt sich niemand mehr frei. Dann wird die Gesellschaft oder der Staat schnell wie ein panoptisches System empfunden. Dann folgt die automatische Selbstkontrolle, der Verzicht darauf zu sein wie man ist, zu sagen oder schreiben, was man denkt. Ein Problem daraus ist, dass man darauf verzichtet staatliche Maßnahmen oder Bestrebungen zu kritisieren und sich mit anderen zu organisieren, um Unmut deutlich zu machen.

Schaut man sich die Tendenz an, welche Überwachungsgesetze zuletzt verabschiedet wurden, und ob man sich eher in Richtung einer freien oder weniger freien Gesellschaft bewegt, dann ist die Richtung klar. Mit zunehmender Videoüberwachung, dem Wunsch nach Vorratsdatenspeicherung, Staatstrojaner, Fingerabdruckpflicht im Personalausweis, Verschärfungen der Polizeigesetze in den Bundesländern, Forschung an Gesichtserkennungssoftware, und nicht zuletzt die aktuellen Bestrebungen zur Chatkontrolle, also der Abschaffung des digitalen Briefgeheimnisses und vielem mehr geht der Weg klar weg von einer freien Gesellschaft.

Mit der Digitalisierung und der Zunahme digitaler Angebote wuchs auch der Überwachungskapitalismus. Dieser erklärt Erfahrungen von Privatmenschen zum Rohstoff für Produktion und Verkauf. Aus unserer Online-Suche, der Wahl der Beiträge, die wir lesen, aus unserem Einkaufsverhalten, Zahlungsverkehr, unseren Bildern, unseren Gesichtsausdrücken auf Bildern, und vielem mehr werden Informationen über uns gewonnen.
Über die Daten hinaus, die für das Erbringen der eigentlich gewünschten Leistung hinaus notwendig sind, werden weitere Daten gesammelt, denn Daten können zu Wissen werden, und Wissen wird zu Geld – und Macht. Diese Macht wird häufig dazu gebraucht, uns zu bestimmten weiteren Verhaltensweisen zu motivieren. Sei es der Kauf eines bestimmten Produktes, das Kennenlernen bestimmter Leute, bis hin zur Manipulation von Wahlentscheidungen. Es ist die Manipulation unseres Verhaltens zum Profit Dritter, und das auf eine perfide Weise, die uns vollkommen natürlich und von uns selbst gewollt erscheint.

Man kann gewiss lange über den freien Willen und die freie Entscheidung des Individuums sprechen. Der einzige Weg aber, sich einer Manipulation zu verschließen wäre, wenn man sicher sein könnte, dass diese Daten nicht verwendet werden oder gar nie erfasst werden. Ein Dienstleister jedoch hat keinen natürlichen Anreiz, auf die Sammlung von Daten über uns zu verzichten.

Beide dieser Fronten zeigen, wie wichtig Datenschutzgesetze sind. Wie wichtig es ist, juristisch Grenzen zu setzen, und diese auch wirksam durchsetzen zu können. Es gibt keinerlei Hinweis darauf, dass diese schon seit vielen Jahren zu beobachtende Entwicklung zu einem Ende kommt. Ganz im Gegenteil. Und umso wichtiger ist es, hier wachsam zu sein und die Stimme zu erheben, wo wir als Menschen in unserer Freiheit, unserer Möglichkeit zu selbstgewählten Entfaltung eingeschränkt werden.

Happy privacy day.

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