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Gastbeitrag von Guido Körber

Zeit für Visionen – Weltraumforschungstag

Helmut Schmidt sagte einst, dass man zum Arzt gehen solle, wenn man Visionen habe. Wahrscheinlich eines seiner schlechteren Zitate. Vielmehr hat man nichts in der Politik zu suchen, wenn man keine Visionen hat.

Visionen sind es, die unsere Zukunft gestalten. Aufgabe der Politik ist es nicht nur zu verwalten, sondern Entwicklung zu stimulieren und zu lenken. Und wie soll das gehen, ohne eine Vision von der Zukunft zu haben, davon, wo hin sich die Gesellschaft entwickeln soll, wie sie mit Veränderung und Fortschritt umgehen soll?

Eine der größten Visionen des letzten Jahrhunderts war es, Menschen zum Mond zu schicken. John F. Kennedy begründete die Aufgabe, innerhalb von weniger 10 Jahren dieses Ziel zu erreichen damit, dass es schwer sei und nicht einfach und es darum das Richtige sei, was man tun könnte. Damit sollte er Recht behalten. Die vielen Technologien und Verfahrensweisen, die durch das Apollo-Projekt entstanden, verschafften den USA jahrzehntelang einen wirtschaftlichen Vorsprung. Die Missionen inspirierten weltweit eine Generation von Technikern und Wissenschaftlern.

Wie immer ist es bei Forschung nicht so einfach, vorher zu sagen, was man finden wird und ob und was man damit praktisch anfangen kann. Satellitentechnik erschien bei den ersten Versuchen den meisten Menschen als nette Spielerei, heute liefern fast 3000 aktive Satelliten Navigationsdaten, Kommunikation, Wetterinformationen, Landvermessung, Umweltdaten und vieles mehr. Ein erheblicher Teil der Weltraumforschung dient eigentlich der Erforschung unser Erde.

Auch die Erkundung der anderen Planeten unseres Sonnensystems hat uns geholfen, unseren eigenen Planeten besser zu verstehen, mit der Venus als deutlicher Mahnung, wie weit ein Klima weg laufen kann, wenn die Zusammensetzung der Atmosphäre zu viele Treibhausgase enthält.

Viele Jahrzehnte ging die Entwicklung in der Raumfahrt nur schleppend weiter, aber in den letzten Jahren hat sich die Geschwindigkeit enorm gesteigert. SpaceX landet seine Trägerraketen routinemäßig und fliegt (bisher) bis zu fünf mal mit derselben ersten Stufe; Blue Origin will das auch bald tun, mit einer noch größeren Trägerrakete. Und was macht Europa? Baut mit der Ariane 6 eine etwas billigere Wegwerfrakete. Deutschland überlegt, einen Startplatz für kleine Raketen zu bauen.

Was fehlt, ist eine Vision.

Eine Vision, die darauf aufbaut, was uns die ersten 70 Jahre Raumfahrt (60 davon bemannt) gebracht haben: Jede Menge Technologie und viel Alltagstechnik, die wir völlig selbstverständlich einsetzen und oft nicht mal darüber nachdenken, dass das Smartphone uns nur deshalb sagen kann, wo wir uns gerade befinden, weil in ein paar 100 km Höhe dutzende Satelliten präzise Navigationsinformationen senden. Unser Verständnis des Universums wurde enorm voran gebracht durch Weltraumteleskope und Sonden, die etliche Male gezeigt haben, dass unsere Vorstellungen falsch waren und auch etliche Male bestätigt haben, was Theorien vorher sagten.

Der Forschung folgten oft die praktischen Anwendungen. Satelliten mit präziser Abstandsmessung bestätigten Annahmen aus der Allgemeinen Relativitätstheorie, ähnliche Technik kommt heute kommerziell zur präzisen Landvermessung zum Einsatz. Ressourcen und Erkenntnisse gibt es in großen Mengen im Weltraum, auch solche, die uns helfen werden, unseren Planeten lebenswert zu erhalten.

Aus all diesen Gründen ist es Zeit, dass Europa aufhört, klein zu denken und stattdessen wirklich in die Weltraumforschung und Raumfahrt investiert. Einen Airbus schmeißt man nicht nach einem Flug weg, warum tut man das mit einer Ariane-Rakete?

Nicht zum Arzt, sondern (z.B.) zu den Sternen geht man mit einer Vision.