Die Verbindungen zwischen russischen Energieunternehmen und europäischen Politikern waren (und sind) sehr eng.

Die Abhängigkeit Europas von russischen fossilen Brennstoffen erweist sich vor allem in jüngster Zeit als höchst problematisch. Aktuell kommen rund 40 % des EU-Jahresbedarfs an Gas aus Russland. Während Deutschland im vergangenen Jahr „nur“ zu zwei Dritteln von russischem Gas abhängig war, entfallen in anderen Ländern, etwa in Bulgarien und Ungarn, mehr als drei Viertel des gesamten Gasverbrauchs auf russisches Gas.

Bereits seit 2009, als Russland während der damaligen tschechischen EU-Ratspräsidentschaft seine durch die Ukraine verlaufenden Gaspipelines für zwei Wochen schloss, wird in Europa über eine Verringerung der Abhängigkeit von russischem Gas debattiert. Erneut aufgeflammt ist die Debatte nach der russischen Annexion der Krim.

Trotz alledem stieg die Abhängigkeit der EU-Länder von Gas und Energie aus Russland weiter. Dafür gibt es zwar viele Gründe, einer sticht allerdings besonders hervor: die erfolgreiche Lobbyarbeit russischer Energieunternehmen durch hochrangige europäische Politiker und Beamte.

Hütewechsel – einmal anders

Sie haben sicherlich schon gehört, was es bedeutet, wenn jemand „den Hut wechselt“. Richtig, dann macht er/sie sich den „Drehtür-Effekt“ zunutze. Das ist ein unschönes Phänomen, das Europa schon seit vielen Jahren begleitet. Ich habe sogar schon mehrmals darüber geschrieben und Lösungen vorgeschlagen, die dieses Problem zumindest in den europäischen Institutionen effektiv stoppen könnten.

Worum geht es jetzt genau bei diesem „Hütewechsel“, wo genau ist die „Drehtür“ und was hat sie damit zu tun? In der Praxis geht es darum, dass eine im öffentlichen Dienst tätige Person (z. B. als gewählter hochrangiger Politiker oder hoher Beamter), nach Beendigung dieser öffentlichen Laufbahn eine Tätigkeit in der Privatwirtschaft aufnimmt. Das geht natürlich auch andersrum, der vorgenannte Fall ist aber der wesentlich gefährlichere.

Warum soll das ein Problem sein? Natürlich ist es auch wichtigen Politikern oder Beamten freigestellt, nachfolgend einer anderen Beschäftigung nachzugehen. Einige von ihnen nutzen jedoch ihre Kontakte und ihr Insiderwissen aus ihrer früheren Position, um die Interessen ausländischer Staaten oder Privatunternehmen zu vertreten. Dass ehemalige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen über Regierungsgeheimnisse Stillschweigen bewahren, ist einfach nicht in Stein gemeißelt.

Kanzler, Minister und Berater

Gerade über hochrangige europäische Politiker und Beamte gelangen russische Energieunternehmen wie Gazprom, Lukoil und Rosatom an vorderste Front in der Energiepolitik der europäischen Mitgliedstaaten.

Ein Paradebeispiel ist der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröderunter dessen Regierung Deutschland und Russland ein Abkommen über den Bau der Nord Stream-Gaspipeline unterzeichneten. Nach der gescheiterten Wiederwahl gelang es der scheidenden Regierung Schröder noch, 1 Mio. EUR für Baukosten zu decken, für den Fall, dass Gazprom ein früheres Darlehen nicht zurückzahlen würde. Schröder wurde schon kurz nach seinem Ausscheiden aus dem Amt im Aktionärsausschuss der Nord Stream AG, und später auch für Nord Stream 2, tätig.

Der ehemalige britische Abgeordnete der Konservativen und Klimaminister Greg Barker wechselte seinen Hut sogar mehrmals. Vor seiner politischen Karriere arbeitete er für den Ölkonzern Sibneft des Oligarchen Abramowitsch. Nach seinem Ausscheiden aus der Politik wurde er Vorsitzender im russischen Aluminium- und Wasserkraftwerk EN+, das von einem anderen russischen Milliardär, Oleg Deripaska, kontrolliert wird.

Auf der Liste der russischen Energielobbyisten steht auch Martin Nejedlý, die rechte Hand des tschechischen Präsidenten Miloš Zeman. Über Nejedlýs pro-russischen Verbindungen muss ich hier nicht großartig berichten – die sind hinlänglich bekannt. Manchmal ist es jedoch wichtig, sich daran zu erinnern, dass der externe Berater des Präsidenten zwischen 2007 und 2015 Geschäftsführer der LUKOIL Aviation Czech war, die er selbst im Einvernehmen mit dem russischen Ölriesen gegründet hatte.

Das lässt sich alles korrigieren

Man muss nur erkennen, dass die wechselnden Hüte im Energiesektor keineswegs nur eine russische Spezialität sind. Meine Fraktionskollegen bei den Grünen/Europäische Freie Allianz – EFA haben vor einigen Jahren eine Studie über 13 Mitgliedstaaten veröffentlicht. Dort fanden Sie allein im Energiesektor rund 88 ähnliche Fälle mit wechselnden Hüten.

Die europäische Abhängigkeit von russischer Energie ist gefährlich. Wie die aktuelle Entwicklung des russischen Angriffskrieges in der Ukraine zeigt, handelt es sich um ein ziemlich großes Problem. Deshalb können und dürfen wir uns nicht weiter von Russland erpressen lassen. Wir haben nur eine Wahl. Wir müssen uns für immer aus unserer Abhängigkeit von russischem Gas lösen.

Anfang März stellte die Europäische Kommission den REPowerEU-Plan vor, der die Abhängigkeit Europas von russischem Gas bis Ende diesen Jahres erheblich reduzieren und bis 2030 vollständig auslaufen lassen soll. Ein beschleunigter Übergang zu erneuerbaren Energien bedeutet für uns bessere Strom- und Gaspreise sowie Energieversorgungssicherheit für die EU-Mitgliedstaaten.

Die Abkehr von der russischen Energieversorgung geht leider nicht von heute auf morgen. Sobald wir diesen Schritt erfolgreich umgesetzt haben, können wir aber die Manipulationsversuche russischer Energiekonzerne in der europäischen Energiepolitik endgültig eindämmen.

Dieser Beitrag des EU-Parlamentariers Mikuláš Peksa (Piratenpartei Tschechien) wurde zuerst auf auf dessen Homepage veröffentlicht, zu finden unter folgendem Link: mikulas-peksa.eu/ge/die-russischen-energieunternehmen-haben-lange-zeit-die-energiepolitik-der-europaischen-lander-beeinflusst-wie/

Powered by atecplugins.com