Allgemein Arbeit und Soziales Aus dem Bundesvorstand Gastbeitrag Kommentar

Advent, Advent, die Armut – sie brennt (aus)

zwei Hände mit Kupfermünzen

ein Kommentar von Anne Herpertz

Über 13 Millionen Menschen in Deutschland sind arm(utsgefährdet). Das ist nicht weniger als eine enorme Schande. Und das Entscheidende: Es ist kein Zufall, erst recht kein individuelles Eigenverschulden, sondern die Konsequenz unsozialer, systematisch wegsehender und menschenverachtender Politik.

Armut betrifft viele gesellschaftliche Gruppen – allen voran viele Alleinerziehende, Geflüchtete, Rentner:innen, Menschen ohne Arbeit, Menschen mit Behinderung, Studierende, Auszubildende und Kinder. Sie wird begleitet von psychischen Belastungen, gesellschaftlichen Stigmata und einem verachtenswerten Menschenbild bei einigen Nicht-Betroffenen. Vielfach wird Armut individualisiert und die Schuld bei Betroffenen gesucht. Mediale Bloßstellungen und pauschale Vorverurteilungen erledigen den Rest.

Kommen wir auf den entscheidenden Punkt zurück: Armut entsteht nicht „aus Versehen“. Sie kann bekämpft werden, wenn es politisch gewollt ist. Doch das ist es derzeit nicht. Das ab Januar geltende „Bürgergeld“ (Hartz IV-light) war schon als Vorschlag von der Ampel kein „Paradigmenwechsel in der Sozialpolitik“. Die wenigen Verbesserungen wurden auch noch in großen Teilen durch die Verhinderungsmacht CDU/CSU kassiert. Eine Sache wurde sogar verschlimmert: Nahezu ohne große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit wurde durch den Kompromiss im Vermittlungsausschuss über das Bürgergeld das Sanktionsmoratorium, das eigentlich bis Juni 2023 hätte gelten sollen, aufgehoben. Der Begriff der Sanktion taucht zwar im Bürgergeld-Gesetz nicht mehr auf, aber dafür die Leistungsminderung, die letztlich nichts anderes als Sanktionen bedeutet. Wann hören Regierungsparteien endlich auf, hier und da ein paar Euro mehr oder hier und da ein wenig Entlastung als ernst zu nehmende Sozialpolitik zu verkaufen? Hat denn niemand wirklich vor, reelle finanzielle Bedrohungslagen für Menschen anzugehen?

Armut wird in Deutschland nicht bekämpft, sondern verwaltet. Ein anständiger Staat bemisst sich nicht nur an der reinen Distribution von Sozialleistungen, sondern auch durch die Art und Weise, wie er sie verteilt. Berechtigte Ansprüche verkommen immer mehr zu Almosen. Menschen, die hinter vielfältigen Schicksalen stehen, verkommen zu Nummern (oder besser noch, „Kunden“), die sich entmenschlichend vor dem Staat nackt machen müssen. Sind das Kennzeichen eines sozialen Staates? Ich bezweifle es zutiefst.

Ich kämpfe mit jeder Zelle meines Körpers für ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Nun könnte ich eine ganze Reihe von Argumenten anführen – von freier Entfaltung, über Verhandlungsmacht für Arbeitnehmende, hin zu einem Leistungsbegriff, der nicht auf Erwerbsarbeit beruht. All dem zugrunde liegt letztlich eine einzige Formel: Jeder Mensch soll ein Leben in Würde führen dürfen und niemand soll in Armut leben müssen. Ganz einfach, weil er/sie existiert. Das käme meiner Vorstellung eines grundlegend sozialen Staates am nächsten.

Doch bis wir dahin kommen, liegt es neben dem politischen Druck, den wir aufbauen, noch immer an uns als Gesellschaft, diese Zustände abzufedern und Solidarität zu zeigen. Mit Entstigmatisierung und Sensibilisierung im Umfeld fängt es an. Auch rund um Weihnachten wieder passender: Wer hat, der gibt. Zum Beispiel dem sanktionsfrei e.V., der Menschen, die von Sanktionen bzw. zukünftig Leistungsminderungen betroffen sind, finanziell und anwaltlich unterstützt. Oder als #Bratenpaten, #Technikpaten, #Geschenkpaten und #Kleiderpaten an die OneWorryLess-Foundation, die Menschen in Armut in konkreten Anliegen Würde zurückgibt. Auch wenn es nicht die Aufgabe der Zivilgesellschaft sein sollte, die Missstände des deutschen Sozialsystems auszugleichen, gilt: Respekt an alle, die helfen, wo der Staat versagt.

Advent, Advent, die Armut – sie brennt (aus). Frohe Feiertage und eine besinnliche Zeit – die man nicht nur sich selbst, sondern auch anderen ermöglichen kann.

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