Der 9. Mai, bekannt als Europatag, ist ein weiterer Tag, der sich in die Liste der Aktionstage einreiht. Dennoch ist besonders dieser Tag in der aktuellen politischen Situation von höchster Wichtigkeit. Geradezu leichtfertig setzen wir scheinbar die Errungenschaften der europäischen Einigung aufs Spiel, während doch das Ziel eine Weiterentwicklung sein muss, wo einst der Grundstein durch die Montanunion gelegt wurde.

Für mich war und ist Europa immer vorhanden und greifbar. Als Saarländerin in der Grenzregion aufgewachsen, gehört es für mich zum Alltag, dass ich, wann immer ich es denn möchte, ohne Probleme nach Luxemburg oder Frankreich reisen kann. Selbst das Passieren der Grenze merke ich inzwischen nur noch an den Roaminggebühren, die sowieso im Juni dieses Jahres abgeschafft werden, sowie an der anderen Beschilderung. Ich muss nicht an der Grenze warten, um kontrolliert zu werden. Ich muss kein Geld wechseln, wenn ich etwas einkaufen möchte. Wenn ich einen längeren Aufenthalt plane, muss ich mir noch nicht einmal Sorgen darüber machen, dass bestimmte Lebensmittel, die ich gerne esse, dort nicht erhältlich sind. Selbst in solchen kleinen, alltäglichen Dingen hat die Zusammenarbeit der verschiedenen Länder Europas innerhalb der Institution der EU mein Leben und das Leben vieler anderer Menschen so einfach gemacht.

Offene Grenzen, Erasmus und Frieden

Bleiben wir doch einmal bei diesem Beispiel der offenen Grenzen innerhalb der EU: Wenn ich in einem anderen Land Europas studieren und leben möchte, dann ist mir das möglich -ohne größere Probleme. Ich benötige kein Visum, ich bin eine Bürgerin Europas. Durch verschiedene Programme wie Erasmus werde ich sogar in meiner Vernetzung unterstützt. Ähnlich ist es, wenn ich in einem anderen Land der EU leben oder arbeiten will. Das ist inzwischen alles andere als problematisch und besonders für meine Generation ganz normal; eine Freizügigkeit, die ich keinesfalls missen möchte.

Darüber hinaus ist die EU eine Institution, die den Frieden innerhalb Europas nachhaltig sichert. Aufgrund der Beziehungen zwischen den verschiedenen Mitgliedsstaaten und der Angleichung der Standards ist etwas anderes als halbwegs funktionierende diplomatische Beziehungen gar nicht mehr möglich. Dazu kommt ein Katalog mit tollen Grundwerten wie Freiheit und Menschenwürde. Auch historisch betrachtet sind die Errungenschaften der EU nahezu einmalig. Die Geschichte der EU ist eine Geschichte des Erfolgs für Freiheit, Demokratie, Frieden und Menschenrechte. Für diese Entwicklung bin ich verdammt dankbar und sehr froh, Europäerin zu sein.

Nicht alles in der EU ist ideal

Natürlich ist nicht alles, was die EU macht und ausmacht, ideal. Das würde dem Anspruch an Kritik und Verbesserungswürdigkeit dieser Institution keineswegs entsprechen. Denn obwohl ich die Entwicklung bis zum jetzigen Zeitpunkt befürworte, so ist die EU keineswegs perfekt. Ein Blick auf Bürgerbeteiligung und Demokratie genügt. Wir haben ein Europaparlament, das wenig Macht besitzt. Eine Angleichung des Initiativrechts wäre nur der erste Schritt, um den Bürgern Europas mehr Mitbestimmung zu geben.

Dass eine EU-Behörde Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken lässt, ist inakzeptabel. Insbesondere ist dies in keinem Fall mit dem gemeinsamen Wert der Wahrung der Menschenwürde vereinbar. Die jetzige Situation, herbeigerufen durch den Flüchtlingsdeal mit Erdogan und teilweisen Grenzschließungen, ist unhaltbar und muss geändert werden. Um ein Europa zu formen, in dem alle Menschen gehört werden und somit eine starke Gemeinschaft darstellen, ist es politische Pflicht, die EU zu verbessern und ihr Potenzial auszuschöpfen. Wir leben in einer globalisierten Welt, was grundsätzlich begrüßenswert ist. Internationale Vernetzung, gemeinsame Ziele, eine Zweckgemeinschaft zur Lösung von politischen Problemen wie z.B. den Datenschutz über Landesgrenzen hinweg, Bekämpfung des Klimawandels; all dies lässt sich nur gemeinsam anpacken.

International hat Europa eine wichtige Rolle

Wir gehören zu den Menschen, die davon stark profitieren, auch wenn noch ein ziemliches Ungleichgewicht herrscht. Was haben in dieser Welt einzelne Nationalstaaten noch zu sagen? Um global aktuell wirklich Gewicht zu haben, benötigt man Machtinstrumente wie z.B. eine global wahrnehmbare Wirtschaftskraft. Es liegt auf der Hand, dass die Mitgliedstaaten der EU gemeinsam mehr davon aufbieten können als ein einzelner Staat allein. Es klingt unglaublich egoistisch, aber wenn wir die Welt nach unseren europäischen Maßstäben gestalten möchten und dabei Demokratie und Menschenrechte vorantreiben wollen, dann müssen wir international stark aufgestellt sein. Das ist aktuell nur mit der EU als Institution möglich. In der aktuellen politischen Lage, die im Vergleich zu den Jahren davor eher schwierig ist, braucht es dringend eine friedliche EU als Fels in der Brandung.

Ein Trump in den USA, ein Erdoğan in der Türkei, dazu verschiedene Probleme in Nordkorea und Russland: Das ist alles eher destabilisierend. Um deeskalierend zu wirken, brauchen wir daher eine starke EU, die zusammensteht und gemeinsam für Frieden, Demokratie und Menschenrechte eintritt. Allerdings wäre es falsch, unsere eigenen Probleme zu leugnen. Es kann oftmals sehr zermürbend und schwierig sein, mit 28 verschiedenen Staaten eine Lösung zu finden. Die EU ist pluralistisch und das ist auch gut so. Aufgrund verschiedener Systeme dieser Institution benötigt es in vielen Fragen Einigkeit. Es ist uns noch nicht einmal gelungen, eine gesamteuropäische Vorgehensweise für die Frage der Flüchtlingszuströme zu finden. Darüber hinaus erstarkt der Nationalismus in der gesamten EU. Polen und Ungarn sind dafür die besten Beispiele. Großbritannien geht mit dem Brexit sogar den radikalen Schritt, der vor Jahren und im eigentlichen Entwicklungsprozess der EU fast undenkbar war. Und hatten wir nicht auch Probleme mit hoher Staatsverschuldung in einzelnen Mitgliedstaaten wie Griechenland? Alles in allem hat Europa genügend Probleme mit sich selbst, die es anzupacken gilt.

Updates für Europa

Das klingt nach einem Haufen Arbeit. Aber das ist es auch wert, wenn wir dafür eine weitere Zeit des Friedens, der Demokratie und der Menschenrechte erleben dürfen. Insofern freue ich mich, am heutigen Tag Europa feiern zu können, denn es ist ein äußerst wichtiger Schritt, die EU lebendig und zukunftsfähig zu halten. Die EU wird dringend gebraucht, sowohl innerhalb des Kontinents Europa als auch in der Weltpolitik. Wenn wir daran arbeiten, werden wir weiterhin Vorreiter für Freiheit, Frieden und Demokratie sein. Es ist unsere Pflicht als Bürger der EU, diese Gemeinschaft ständig zu verbessern und auszubauen. Genau das sollten wir heute feiern: Es ist eine wunderbare Errungenschaft, dass wir so weit gekommen sind. Aber auch für die EU existieren mehr als genug Updates. Auf ein demokratisches und geeintes Europa!

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